Katja Macor

Katja Macor

  • Rechtsanwältin

Der Europarat hat mit Resolution Nr. 2079 vom 2.10.2015 die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Doppelresidenz bzw. das Wechselmodell einzuführen und Ausnahmen ausschließlich auf Fälle von Kindesmisshandlung, Vernachlässigung oder häuslicher Gewalt zu beschränken. Dabei soll die Zeitaufteilung, in der das Kind mit jedem Elternteil lebt, an die Bedürfnisse und Interessen des Kindes angepasst werden.

Gegenwärtige Situation in Deutschland

Deutschland steckt aktuell in Sachen Wechselmodell, also einer geteilten Betreuung von Kindern nach Trennung der Eltern, z. B. bei einem wöchentlichen Wechsel der Kinder, noch in den Kinderschuhen: Nach einer Trennung bleibt es grundsätzlich bei der gemeinsamen elterlichen Sorge, wobei ein Elternteil die Kinder hauptsächlich betreut, während der andere Elternteil ein Umgangsrecht hat.

Eigentlich sollte sich der Umgang an dem vor der Trennung gelebten Familienmodell orientierten. Da sich die Rolle der Väter in der Familie in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten vom „Familienernährer“ hin zum mitbetreuenden, Elternzeit nehmenden, kochenden und schulinteressierten modernen Vater gewandelt hat, wird sich auch das Umgangsrecht und die Ausgestaltung der Betreuung nach der Trennung auf längere Sicht entsprechend ändern.

Noch sind die deutschen Gerichte jedoch nicht so weit: Erst in der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.6.2015 wurde klargestellt, dass das Wechselmodell nicht der Regelfall ist. Begründet wurde dies damit, dass sich bei Eltern mit hohem Konfliktniveau eher negative Effekte für das Kind (Koalitionsdruck, Loyalitätskonflikte) zeigten, wenn häufigere Kontakte mit dem andern Elternteil stattfinden. Das Kindeswohl stehe im Mittelpunkt, eigene Interessen des intensiveren Kontakt wünschenden Elternteils müssten zurück stehen.

Voraussetzungen für ein Wechselmodell:

  • Hinreichende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit beider Eltern: Die Eltern benötigen eine tragfähige soziale Beziehung (auch im Sinne einer wechselseitigen Akzeptanz) sowie einen Grundkonsens in den wesentlichen Erziehungsfragen;
  • beide Elternteile müssen die Bereitschaft und Fähigkeit haben, den höheren Kooperationsanforderungen des Wechselmodells gerecht zu werden;
  • nahezu gleichwertige Bindungen des Kindes zu beiden Elternteilen müssen vorhanden sein;
  • Mutter und Vater müssen erziehungsgeeignet sein;
  • das Wechselmodell muss dem Kindeswillen nach allgemeinen Grundsätzen gerecht werden; und
  • es müssen kindeswohlgerechte äußere Bedingungen (geringe Entfernung der Elternwohnungen zueinander, sowie jeweilige angemessene Unterbringung und Versorgung der Kinder) gegeben sein.

Das Wechselmodell lässt sich aktuell vor deutschen Gerichten nicht erzwingen, wenn ein Elternteil dagegen ist. In Vorbereitung auf ein ggf. erforderliches Verfahren hilft nur, gemäß obigen Voraussetzungen die beste Ausgangsposition zu schaffen.