Rechtsanwalt Dr. Achim Nolte

Dr. Achim Nolte

  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Erbrecht
  • zert. Testaments-
    vollstrecker (AGT)
  • zert. Mediator

In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Privatinsolvenzen stark zugenommen. Immer wieder stellt sich die Frage, ob ein Erbe vor oder während eines Insolvenzverfahrens eine angefallene Erbschaft frei ausgeschlagen darf bzw. ein Pflicht­teilsanspruch geltend machen muss.

§ 83 Abs. 1 Nr. 1 InsO schreibt ausdrücklich das Recht des Schuldners fest, eine angefallene Erbschaft vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Insol­venzverfahrens auch auszuschlagen. Sollte nicht aus­geschlagen werden, trifft den Schuldner gem. § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Verpflichtung, ein Erbe zur Hälfte an den Treuhänder herauszugeben. Die Be­schrän­kung auf die Herausgabe der Hälfte soll dazu führen, dass der Schuldner davon absieht, die Erb­schaft auszuschlagen. Jedoch kann aus dieser Norm auch geschlossen werden, dass es allein die Entschei­dung des Schuldners ist, ob er in der Zeit der sog. Wohl­verhaltensperiode eine Erbschaft überhaupt annimmt oder sie eben ausschlägt.

Ein Erbe kann vor oder während eines laufenden Insolvenzverfahrens eine Erb­schaft ausschlagen.

Die herrschende Meinung geht davon aus, dass auch Pflichtteilsansprüche unter § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO fallen und zur Hälfte herausgegeben werden müssen. Das bedeutet jedoch auch, dass der Schuldner es auch bei Pflichtteilsansprüchen selbst „in der Hand“ hat, ob er überhaupt seinen ihm zustehenden Pflichtteils­an­spruch geltend machen möchte oder nicht. Der BGH hat mehrfach betont, dass unabhängig von Pfändun­gen oder Insolvenzverfahren der Pflichtteilsberechtigte bei seiner Entscheidung frei bleiben muss, ob er seinen Pflichtteil geltend machten möchte oder nicht.

Gerade weil die Geltendmachung eines Pflicht­teils­­anspruchs mitunter erhebliche familiäre Konsequenzen nach sich zieht, kann auch ein Schuldner im Insolvenz­verfahren nicht gezwungen werden, seinen Pflicht­teilsanspruch auch tatsächlich geltend zu machen.

Kein Gläubigerzugriff trotz Enterbung

Immer wieder kommt es vor, dass gewissermaßen „einvernehmlich“ Eltern überschuldeter Kinder diese voll­ständig enterben, um den Nachlass nicht an die Gläubiger gehen zu lassen. So lange der Pflicht­teils­anspruch nicht aktiv geltend gemacht wird, besteht auch keine Möglichkeit für die Gläubiger, den Anspruch zu verwerten.

Ein in der Insolvenz befindlicher Pflichtteilsberechtigter kann von seinen Gläubigern nicht gezwungen werden, den ihm zustehenden Pflichtteilsanspruch geltend zu ma­chen. Auf diese Weise kann im Zusammenwirken zwi­­­schen Testator und überschuldeten Pflichtteils­be­rech­­­tigtem der Nachlass vor dem Zugriff der Gläubiger ge­­­schützt werden. Der Schuldner kann durch schlich­­te Inaktivität den Gläubigern den Zugriff verwehren.