Rechtsanwalt Dr. Achim Nolte

Dr. Achim Nolte

  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Erbrecht
  • zert. Testaments-
    vollstrecker (AGT)
  • zert. Mediator

Aktuelle BGH-Rechtsprechung vom 22.3.2023 (AZ IV ZB 12/22) macht lenkende Ausschlagung hochriskant, da bei Irrtum über doch vorhandene weitere gesetzliche Erben diese dann erben und keine Korrektur mehr möglich ist.

Stirbt ein Elternteil, gehen Familien oft davon aus, dass dann zunächst der längerlebende Elternteil allein erbt. Wenn kein Testament vorhanden sein sollte, ist dem aber gerade nicht so: Es entsteht automatisch eine Erbengemeinschaft von Elternteil und Kindern. Um zu erreichen, dass der Längerlebende dennoch Alleinerbe wird, besteht die Möglichkeit, dass die Kinder zugunsten des längerlebenden Elternteils „lenkend“ ausgeschlagen. Das gelingt aber nur, wenn neben den ausschlagenden Kindern nicht noch weitere gesetzliche Erben (z.B. unbekannte Halbgeschwister oder Erben 2. Ordnung etwa Onkel/Tanten und deren Kinder) vorhanden sind. Wenn in der Vergangenheit nach der Ausschlagung bekannt wurde, dass noch andere gesetzliche Erben vorhanden waren, konnte versucht werden, die Ausschlagung (wirksam) anzufechten, um wenigstens wieder die Ausgangssituation der Erbengemeinschaft mit der engsten Familie zu erreichen.

Dem hat der BGH nun einen Riegel vorgeschoben.

Während schon früher die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte streng war (zB OLG Düsseldorf im Jahr 1997) und eine Anfechtung solcher Ausschlagungen nicht zuließ (sog. unbeachtlicher Motivirrtum), entwickelte sich in den letzten Jahren zunehmend eine anfechtungsfreundliche Linie (zB OLG Düsseldorf 2018; OLG Brandenburg 2022); z.T. auch in der Literatur.

Nun bestätigte der BGH die kritische Haltung der Vorinstanz (OLG Hamm 2022) und urteilte, dass in Fällen, in denen entweder unbekannte erbberechtigte Personen später erst „auftauchen“ oder die ausschlagende Person nicht wusste, dass bei eigener Ausschlagung neben der/dem Witwe/Witwer noch Erben der 2. Ordnung „einrücken“, die Ausschlagung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Vor jeder „lenkenden“ Erbausschlagung sollte ab sofort besonders genau geprüft und erst dann ausgeschlagen werden, wenn fachanwaltlicher Rat eingeholt worden ist.