Rechtsanwalt Jonathan Gebauer

Jonathan Gebauer

  • Rechtsanwalt
  • zert. Mediator

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat durch Beschluss vom 19.10.2022 (Az. 13 WF 53/22) entschieden, dass Eltern im Erbscheinsverfahren die Vertretung für ihre Kinder entzogen werden kann.

Eltern sind im Rahmen ihres elterlichen Sorgerechts grundsätzlich gemäß § 1629 BGB vertretungsberechtigt für ihre minderjährigen Kinder. Dies gilt auch für gerichtliche Verfahren.

Diese Vertretungsbefugnis endet jedoch, wenn ein erheblicher Interessensgegensatz zwischen Eltern und Kind vorliegt. Es kann dann den Eltern gemäß §§ 1629 Absatz 2, 1789 Absatz 2 BGB die Vertretungsbefugnis für das Kind entzogen werden. Für die Wahrnehmung der Interessen der Kinder wird dann ein gerichtlicher Ergänzungspfleger bestellt.

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat nun entschieden, dass ein solcher Interessengegensatz auch im Rahmen eines Erbscheinverfahren vorliegen kann. In dem zugrunde liegenden Fall war die Mutter verstorben. Im Testament war verfügt, dass der überlebende Vater Alleinerbe werden soll und dass die Kinder jeweils eine Geldzuwendung von € 800.000,- erhalten sollten. Solche Geldzuwendungen können im Rahmen eines Erbscheinverfahrens entweder als Vermächtnis oder als teilweise Erbeinsetzung ausgelegt werden. Eine teilweise Erbeinsetzung hätte jedoch zur Folge, dass Vater gerade nicht Alleinerbe geworden wäre. Da das Interesse des Vaters an seiner Stellung als Alleinerbe im direkten Interessensgegensatz zu der möglichen Miterbschaft der Kinder steht, hat das Nachlassgericht gegen den Willen der Kinder dem Vater die Vertretungsbefugnis für das Erbscheinverfahren entzogen und einen Ergänzungspfleger für die Kinder bestellt.

Bisher konnten Eltern ihre Kinder meist problemlos in Erbscheinverfahren vertreten. Dies hat sich mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts nun geändert. Es ist daher dringend zu empfehlen, Testamente zumindest juristisch gegenprüfen zu lassen (oder direkt mit juristischer Unterstützung zu erstellen). Andernfalls droht Eltern minderjähriger Kinder im Erbscheinverfahren bei juristisch unklarem Testamentswortlaut die teilweise Entziehung der Vertretungsbefugnis.