Bundesregierung plant erbrechtliche Gleichstellung nichtehelicher Kinder, die vor dem 01.07.1949 geboren sind
Schon bisher waren eheliche und nichteheliche Kinder weitgehend gleichberechtigt. Bereits im Jahr 1970 erhielten auch nichteheliche Kinder in der Bundesrepublik ein gesetzliches Erbrecht nach ihren Vätern, allerdings gilt bis auf den noch heutigen Tag eine wichtige Ausnahme für Kinder nichtehelicher Väter, die vor dem 01.07.1949 geboren sind. Diese Kinder haben nämlich gerade kein gesetzliches Erbrecht nach ihren Vätern und damit auch kein Pflichtteilsrecht.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat nun am 28.05.2009 festgestellt, dass die bisher im deutschen Erbrecht vorgesehene Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern, die vor dem 01.07.1949 geboren worden sind, im Widerspruch zur europäischen Menschenrechtskonvention steht.
Die nunmehr geplante Regelung, die als Referentenentwurf bereits vorliegt, ist eine Reaktion auf europäische Rechtsprechung und sieht folgende Regelungen vor:
- Für künftige Sterbefälle werden auch alle vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder ehelichen Kindern gleichgestellt. Sie beerben ihre Väter als gesetzliche Erben.
- Dieses Erbrecht, der vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder, soll aber nicht zu Lasten von hinterbliebenen Ehefrauen und Lebenspartnern gehen. Ihnen wird eine gesetzliche Vorerbschaft eingeräumt. Das bedeutet: Stirbt der Vater, erben zunächst seine Ehefrau oder sein Lebenspartner. Erst wenn auch diese sterben, geht ihr Anteil als sog. Nacherbschaft an die betroffenen nichtehelichen Kinder.
- Bei Sterbefällen, die sich bereits vor Inkrafttreten der geplanten Neuregelung ereignet haben, ist das Vermögen des Verstorbenen ist bereits auf die nach alter Rechtslage berufenen Erben übergegangen. Eine rückwirkende Entziehung solcher Erbschaften unterliegt sehr engen verfassungsrechtlichen Grenzen:
- Möglich ist, die Neuregelung auf Todesfälle zu erweitern, die erst nach der Entscheidung des EGMR am 28. Mai 2009 eingetreten sind. Denn seit der Entscheidung können die nach altem Recht berufenen Erben nicht mehr auf ihr Erbe vertrauen.
- Für nichteheliche Kinder, deren Väter bereits vor dem 29. Mai 2009 verstorben sind, muss es aus Gründen des Vertrauensschutzes grundsätzlich bei der früheren Rechtslage bleiben. Eine Ausnahme ist für Fälle geplant, bei denen der Staat selbst zum Erben geworden ist, zum Beispiel weil es weder Verwandte noch Ehegatten bzw. Lebenspartner gab oder weil die Erbschaft ausgeschlagen wurde. In solchen Konstellationen soll der Staat den Wert des von ihm ererbten Vermögens an die betroffenen nichtehelichen Kinder auszahlen.
Wann das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen und die Regelung in Kraft treten wird, und ob es noch einmal Änderungen geben wird, kann derzeit nicht prognostiziert werden.
Alle betroffenen nichtehelichen Kinder mit Geburtstag vor dem 01.07.1949 sollten sich jedoch schon jetzt mit dem Thema ebenso befassen, wie Väter, die nicht ausschließen können, nichteheliche Abkömmlinge mit Geburtstag vor dem 01.07.1949 zu haben. Eine rechtliche Beratung kann weiterhelfen. So empfehlen wir gerade auch bei unbekannten nichtehelichen Vätern, diese ausfindig zu machen, da mit der gesetzlichen Erbberechtigung auch eine u. U. geldwerte Pflichtteilsergänzungsberechtigung einhergehen kann.
Betroffene Väter sollten mit Blick auf das künftige gesetzliche Erbrecht der nichtehelichen Kinder mit Geburtstag vor dem 01.07.1949 dringend handeln und ein auf das Pflichtteil beschränkendes Testament erstellen.
Mit anderen Worten: Nichteheliche Kinder mit Geburtstag vor dem 01.07.1949 würden nach Inkrafttreten des Gesetzes mit großer Wahrscheinlichkeit zwar ihre Pflichtteile bzw. Pflichtteilsergänzungsrechte geltend machen können, wenn der nichteheliche Vater nach dem 28.05.2009 (Tag der Entscheidung des EGMR) verstorben ist bzw. versterben wird.
Ohne Testament erhielten jedoch auch die nichtehelichen Kinder mit Geburtstag vor dem 01.07.1949 neben etwaigen anderen (Halb-) Geschwistern den vollen (!) Erbteil; auch, wenn in den letzten Jahrzehnten überhaupt kein Kontakt bestand bzw. man sich bislang oder sogar bis zum Tode gar nicht kennen gelernt hat.