Rechtsanwalt Dr. Achim Nolte

Dr. Achim Nolte

  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Erbrecht
  • zert. Testaments-
    vollstrecker (AGT)
  • zert. Mediator

Das Nachlassgericht muss nur dann ein fachärztliches Gutachten bei behaupteter Testierunfähigkeit anfertigen lassen, wenn es selbst Anhaltspunkte für die mangelnde Testierfähigkeit sieht.

Es ist schon fast ein Reflex: Wenn ein Erblasser anders als erwartet testiert hat, wird allzu oft dessen Testierfähigkeit in Frage gestellt.

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB kann kein wirksames Testament errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Testierunfähigkeit nach § 2229 BGB ist jedoch nur die Ausnahme der jedem Erblasser grundsätzlich eingeräumten Testierfreiheit. Das AG Rosenheim hat in einer Entscheidung vom 21.01.2019 (AZ VI 1239/18) einmal mehr betont, dass im Rahmen des Erbscheinverfahrens es nicht schon reicht, die Testierunfähigkeit schlicht zu behaupten. Vielmehr muss derjenige, der sich auf die Testierunfähigkeit beruft, dafür konkrete „Anhalts- oder Anknüpfungstatsachen“ vortragen und beweisen. Das Nachlassgericht muss also zweistufig vorgehen: Erst hat es (durch Beweisaufnahme – Zeugenbefragungen etc.) zu klären, ob tatsächlich von konkreten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers auszugehen ist. Erst wenn dies zur ausreichenden Überzeugung des Gerichts feststeht, ist vom Gericht ein medizinisches Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben. Ergibt die Beweisaufnahme hingegen, dass keine Zweifel an der Testierfähigkeit bestehen, steht dem Gericht Entscheidungskompetenz zu, gerade kein Gutachten erstellen zu lassen und gleich zu entscheiden.

Bei Testamentserrichtung bietet es sich an, den Hausarzt oder sogar Psychiater um ein Kurzattest zur Testierfähigkeit zu bitten. Wenn dann später der Einwand der Testierunfähigkeit erhoben wird, wiegt eine medizinische Einschätzung beim Nachlassgericht schwer. Jedenfalls müssten sehr schwerwiegende weitere Zweifel bewiesen werden, damit das Gericht ein Sachverständigengutachen beauftragt.