Rechtsanwalt Jonathan Gebauer

Jonathan Gebauer

  • Rechtsanwalt
  • zert. Mediator

Der Bundesfinanzhof hat sich in einem Beschluss vom 01.09.2020 (Aktenzeichen II B 16/20) der Auffassung angeschlossen, dass ein Pflichtteilsverzicht wucher-ähnlich und damit unwirksam sein kann.

Der Pflichtteilsanspruch sichert gesetzlich bestimmten Angehörigen eines Erblassers eine finanzielle Mindest-beteiligung an dessen Nachlass, welche der Erblasser normalerweise einseitig nicht entziehen kann.

Um dennoch sicherstellen zu können, dass nach dem Todesfall gegen den Erben keine Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden, können Pflichtteilsberechtigte und Erblasser zu Lebzeiten einen notariellen Pflicht-teilsverzicht gemäß § 2346 Abs. 2 BGB vereinbaren. Typischerweise erhält der Pflichtteilsberechtigte im Ge-genzug für seinen Verzicht entweder eine Zuwendung zu Lebzeiten oder nach dem Todesfall.

Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass bei einem groben Missverhältnis zwischen dem Wert des Pflichtteils und der Gegenleistung für den Verzicht ein wucherähnliches Rechtsgeschäft vorliegen kann. Dies hat zur Folge, dass in solchen Fällen die Vereinbarung insgesamt sittenwidrig und damit unwirksam ist, sodass der Pflichtteilsberechtigte entgegen der Vereinbarung doch Anspruch auf seinen Pflichtteil hat.

Zwar konnte der Bundesfinanzhof im konkreten Fall ein ausreichend großes Missverhältnis nicht erkennen, dennoch sollte diese Rechtsprechung bei der Vereinbarung von Pflichtteilsverzichten künftig berücksichtigt werden, da andernfalls die Gefahr besteht, dass die Vereinbarung unwirksam ist.

Ein Pflichtteilsverzicht muss notariell beurkundet werden, eine privatschriftliche Vereinbarung reicht in jedem Fall nicht aus. Auch ein notarieller Pflichtteilsverzicht kann bei großer Diskrepanz zwischen Verzicht und Gegenleistung jedoch sittenwidrig und damit unwirksam sein. Es sollte daher in der rechtlichen Bera-tung ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, dass die Gegenleistung in einem ausgewogenen Verhältnis steht und keine Seite von der anderen ausgenutzt wird.