Rechtsanwalt Dr. Achim Nolte

Dr. Achim Nolte

  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Erbrecht
  • zert. Testaments-
    vollstrecker (AGT)
  • zert. Mediator

Bis zur Erbschaftssteuerreform 2009 wurde vom Finanzamt bei verschenkten oder vererbten Immobilien für die Steuerfestsetzung ein in der Regel niedrigerer Wert als der Verkehrswert angesetzt.

Seit dem Jahr 2009 muss jedoch der Verkehrswert zu Grunde gelegt werden. Dies führt in begehrten Lagen wie Freiburg und Umgebung zu höheren Steuern. Durch lebzeitige Übertragung unter Nießbrauchvorbehalt kann nun erheblich Steuer gespart werden.

Abzug des vollen Nießbrauchwertes

Dazu übergibt der bisherige Eigentümer seine Immobilie an die nächste Generation, behält sich aber zur eigenen Absicherung ein sogenanntes Nießbrauchrecht vor. D.h. er und ggf. seine Angehörigen können die Immobilie lebenslang weiter nutzen. Wenn das Nießbrauchrecht im Grundbuch eingetragen wird, ist der Übertragende trotz Übergabe des Eigentums gut geschützt. Wichtig ist, dass der Übertragende sich gegen mögliche Pfändungen und Vollstreckungen beim Übernehmenden durch Rückforderungsrechte im Übergabevertrag absichert.

Der Steuereinspareffekt entsteht nun dadurch, dass mit Inkrafttreten des neuen Erbschaftssteuerrechts 2009 der Wert des Nießbrauches vom Verkehrswert komplett steuermindernd abgezogen werden kann. Vor der Reform konnte lediglich die auf den Nießbrauch entfallende Schenkungssteuer gestundet werden; ein Direktabzug – wie jetzt – war nicht möglich.

Kompliziert ist die Berechnung des Wertes des Nießbrauchs. Konkret wird der Kapitalwert des Nießbrauchs nach der Anlage zu § 14 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) nach folgender Formel ermittelt:

Jahresnettokaltmiete des Übergabeobjektes x Kapitalwertfaktor.

Beispiel:
Eine Tante möchte im Alter von 73 Jahren an ihren Neffen ihre Immobilie im Wert von 400.000,00 € übergeben, für die eine monatliche Kaltmiete von € 1.000,- erzielt werden könnte.

Kapitalwertermittlung des Nießbrauchs: 12.000,00 € (Jahresnettokaltmiete) x 9,844 (Kapitalwertfaktor aus Tabelle) = 118.128,00 €

400.000,- € (Verkehrswert)
–  118.128,- € (Nießbrauchskapitalwert)
= 281.872,- €
– 20.000,- € (Freibetrag Neffe)
= 261.872,- €

davon 20 % (bei Neffe ist Steuerklasse II anzuwenden)
= 52.374,- € zu zahlende Schenkungssteuer

Dazu im Vergleich: Erbschaftssteueranfall (Immobilie wird nicht vorab übertragen, sondern im Erbgang an den Neffen vererbt):

400.000,- € (Verkehrswert)
– 20.000,- € (Freibetrag Neffe)
= 380.000,- €

davon 25 % Erbschaftssteuer (ab € 300.000 zu versteuerndem Wert fallen nicht nur 20 % sondern sogar 25 % an)
= 95.000,-€ zu zahlende Erbschaftssteuer

Im Endergebnis verbleibt also eine Steuerersparnis in Höhe von rund € 42.600,- – und dies bei relativ später Übergabe im Alter von 73 Jahren!

Beispielsvariante:
Wie oben, nur, dass die Übergabe von Tante an Neffen schon mit 60 Jahren erfolgt:

12.000 € (Jahresnettokaltmiete) x 13,733 (Kapitalwertfaktor) = Nießbrauchkapitalwert: 164.796,- €

400.000,- € (Verkehrswert)
– 164.796,- € (Nießbrauchkapitalwert)
– 20.000,- € (Freibetrag Neffe)
= 215.204,- €

davon 20% (Steuersatz Neffe)
= 43.040,- € Schenkungssteuer

(gegenüber € 95.000,- Erbschaftssteuern): sogar rund 52.000 € Steuerersparnis!

Zu beachten ist, dass es bei überraschend baldigem Tod des Übertragenden zu steuerlichen Nachbelastungen kommen kann. Das Bewertungsgesetz sieht gestaffelte Zeiträume vor, die nach der Übergabe verstreichen müssen, damit es bei der zunächst festgesetzten Schenkungssteuerlast auch bleibt.

Eile geboten!

Bei der hier vorgeschlagenen Übertragung unter Nießbrauchvorbehalt muss weiter mitbedacht werden, dass der Kapitalnießbrauchwert nunmehr gem. § 3 GrEStG der Grunderwerbssteuer von aktuell 3,5 % unterliegt.

Für obiges Beispiel bedeutet dies, dass – neben der Schenkungssteuer – noch mit rund € 4.140,- bzw. € 5.770,- (Beispielsvariante) Grunderwerbssteuer zu rechnen ist.

Bekanntlich plant die neue baden-württembergische Regierung die Anhebung dieser Steuer ab voraussichtlich Oktober 2011 auf 5 %.

Wer also Immobilien unter Nießbrauchvorbehalt weitergeben möchte, spart bei einer notariellen Beurkundung bis spätestens Ende September 2011 noch mehr Steuern!

Vorsicht: Keine Auswirkung auf mögliche Pflichtteilsansprüche!

Mit der lebzeitigen Übertragung unter Nießbrauchvorbehalt können zwar Steuern gespart werden. Nicht hingegen können durch ein solches Vorgehen etwaige Pflichtteilsansprüche von Kindern oder Ehegatten des Übertragenden reduziert werden. Auch nicht, wenn zwischen der lebzeitigen Übertragung und Eintritt des Todes ein Zeitraum von mehr als 10 Jahren liegt. Dies hängt damit zusammen, dass es im Falle der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen nur darauf ankommt, ob und wann ein Übertragender den Wert tatsächlich „aus der Hand gegeben“ hat. Da in obiger Konstellation der Übertragende sich ein Nießbrauchrecht vorbehält, läuft der für das Pflichtteilsrecht relevante 10-Jahreszeitraum so lange nicht an, wie der Nießbrauch aufrechterhalten bleibt.