Die illegale Teilnahme an Tauschbörsen durch Kinder kann für Eltern zu einer unangenehmen Kostenfalle werden. Bereits mit unserem letzten ›NP aktuell Newsletter hatten wir auf das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs in Sachen Filesharing hingewiesen. Mit diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof sich zum Umfang der Aufsichtspflicht von Eltern im Verhältnis zu ihren Kindern geäußert, wenn diese illegal Musik im Internet herunter – oder hochladen (illegales Filesharing).
Dies möchten wir zum Anlass nehmen, Ihnen die rechtlichen Grundlagen zum Thema Filesharing näher zu bringen und Ihnen Tipps zum Umgang mit diesem Thema und für das Gespräch mit Ihren Kindern zu geben.
Was ist Filesharing?
Filesharing bedeutet erst einmal nur „Dateien teilen“. Beim Filesharing werden also mit Hilfe eines sogenannten Filesharing-Netzwerkes Dateien (z.B. Musik- oder Filmdateien) mit anderen getauscht. Um das Netzwerk nutzen zu können, muss hierfür eine spezielle Software auf dem PC installiert werden. Diese wird auf diversen Seiten oft kostenfrei zum Herunterladen angeboten. Nach der Installation der Software auf dem PC beginnt der Tauschprozess, indem nach der gewünschten Datei gesucht wird. Die Software sucht dabei nach Nutzern, die die gesuchte Datei anbieten. Hierbei werden die IP- Adressen (sozusagen die Adresse des Computers) zwischen den Computern ausgetauscht, damit die Datei heruntergeladen werden kann. Nachdem also eine Kopie der Datei heruntergeladen wurde, kann der Nutzer sie dauerhaft für sich nutzen und auch wieder anderen zum Herunterladen anbieten. Das Anbieten geschieht dabei häufig automatisch und unbewusst, weil die Software entsprechend eingestellt ist.
Ist Filesharing illegal?
Die Nutzung eines Filesharing-Netzwerkes ist nicht per se illegal – vielmehr kommt es darauf an, ob die Vervielfältigung und Verbreitung eines urheberrechtlich geschützten Werkes mit Zustimmung des Rechteinhabers erfolgt oder nicht. Das bedeutet für Sie, dass Sie beispielsweise eigene Bilder oder Videos aus dem letzten Urlaub unproblematisch mittels einer Filesharing Software mit anderen Nutzern teilen können, solange Sie Rechteinhaber der entsprechenden Werke sind.
Illegal ist Filesharing also nur dann, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen: Zum einen muss ein urheberrechtlicher Schutz bestehen und zum anderen darf bezüglich der Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes keine Zustimmung desjenigen vorliegen, der die Rechte an dem geschützten Werk innehat.
Problematisch ist jedoch, dass nicht immer zweifelsfrei zu erkennen ist, ob die geteilte Datei überhaupt ein urheberrechtlich geschütztes Werk zum Inhalt hat. Ist dies aber der Fall, so darf die Vervielfältigung und Weitverbreitung nur mit Zustimmung des Rechteinhabers erfolgen.
Faustregel: handelt es sich um einen aktuellen Kinofilm, die neusten Musikhits aus den Charts oder ein gerade veröffentlichtes Computerspiel, so kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass hieran ein urheberrechtlicher Schutz besteht und der Rechteinhaber einer (kostenlosen) Vervielfältigung und Verbreitung nicht zugestimmt hat.
Woher haben die Rechteinhaber Ihre Daten?
Die IP-Adresse ist die Adresse, unter der der Computer angesprochen und lokalisiert werden kann. Werden nun also Dateien getauscht, so können die Rechteinhaber oder von ihnen beauftragte Unternehmen die IP-Adressen und zugleich auch die darunter angebotenen Dateien dokumentieren. In einem gerichtlichen Auskunftsverfahren wird dann der Internetanbieter des Internetanschlussinhabers verpflichtet, die persönlichen Daten (Name und Anschrift) die hinter der IP-Adresse stecken, an den Rechteinhaber herauszugeben, so dass dieser seine Rechte gegenüber dem Anschlussinhaber geltend machen kann.
Welche Rechte stehen dem Urheber zu?
Werden Urheberrechte – z.B. durch unberechtigte Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Musikwerkes – verletzt, so stehen dem Rechteinhaber diverse Rechte zu. Er kann zum einen verlangen, dass die Urheberrechtsverletzung zukünftig nicht mehr begangen wird. Hierzu wird einem anwaltlichen Abmahnschreiben meist eine vorformulierte Unterlassungserklärung beigefügt, in der sich der Unterzeichner verpflichtet, das beanstandete Verhalten (z.B. Anbieten eines bestimmten Musiktitels) in Zukunft zu unterlassen oder anderenfalls eine Vertragsstrafe zu bezahlen.
Zum anderen kann der Rechteinhaber auch die Kosten ersetzt verlangen, die ihm aufgrund einer ausgesprochenen Abmahnung entstanden sind. Darüber hinaus steht ihm grundsätzlich auch ein Schadensersatzanspruch zu und ein Anspruch, dass die entsprechende Datei vernichtet wird.
Zur Durchsetzung dieser Rechte kann der Berechtigte den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen oder die Hauptsacheklage erheben. Zuvor wird jedoch regelmäßig eine Abmahnung ausgesprochen, mit der der Empfänger aufgefordert wird, die bereits begangene (oder bevorstehende) Urheberrechtsverletzung zu unterlassen. Die Abmahnung enthält zudem meist auch die Aufforderung, die durch die Abmahnung entstandenen Kosten zu ersetzen und Schadensersatz zu bezahlen.
Mit Filesharing haben Sie nichts zu tun – haften Sie trotzdem?
Auch wenn Sie selbst nicht illegal an einer Tauschbörse teilgenommen haben erhalten zunächst Sie als Anschlussinhaber die Abmahnung, da Ihr Name und Ihre Adresse im bereits genannten Auskunftsverfahren anhand der IP-Adresse ermittelt wurde. Ob und in welchem Umfang Sie nun haften, hängt davon ab, ob Sie für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich gemacht werden können. Hierbei wird zwischen der sogenannten Störerhaftung und der Haftung als Täter unterschieden.
Wer die Tat selbst begangen hat, haftet als Täter und damit grundsätzlich auf Unterlassung, Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten, sowie auf Vernichtung der erstellten Kopie des Werkes.
Dabei ist eine Besonderheit zu beachten: wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum zur behaupteten Tatzeit einem bestimmten Internetanschluss zugeteilt war, so spricht nach Ansicht der Gerichte eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Anschlussinhaber die Tat selbst begangen hat. Kann diese Vermutung entkräftet werden, so kommt aber dennoch eine Haftung als Störer und damit auf Unterlassung und Ersatz der entstandenen Abmahnkosten in Betracht.
Als Störer kann bei der Verletzung von Urheber- oder anderen absoluten Rechten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer — ohne Täter oder Teilnehmer zu sein — in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Der Anschlussinhaber haftet also weil er durch die Zurverfügungstellung des Internetanschlusses einen Beitrag geleistet hat, der für die Urheberrechtsverletzung mitursächlich war. Damit die Störerhaftung jedoch nicht uferlos wird, besteht eine Einschränkung: die Haftung des Störers setzt die Verletzung von Prüf-, Aufsichts- bzw. Handlungspflichten voraus. Derartige Pflichten bestehen z.B. im Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern aber auch gegenüber anderen Familienmitgliedern bzw. Personen, denen der Internetanschluss zur Verfügung gestellt wird. Es besteht zudem auch die Pflicht, ein drahtloses Netzwerk (WLAN) hinreichend zu sichern. Der Bundesgerichtshof geht in seiner Entscheidung vom 12. 5. 2010 (Az.: I ZR 121/08) von einer hinreichenden Sicherung des drahtlosen Netzwerkes aus, wenn der WLAN-Router mit der im Zeitpunkt des Erwerbs marktüblichen Sicherung geschützt ist (aus derzeitig Sicht WPA2) und für den Zugang zum WLAN-Router ein individuelles, ausreichend langes und sicheres Passwort gewählt wurde.
Elternhaftung aufgrund von Aufsichtspflichtverletzung?
Im Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern ist zudem zu beachten, dass die Eltern grundsätzlich als Aufsichtspflichtige für das Verhalten ihrer Kinder in Anspruch genommen werden können und damit nicht nur hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten für die erhaltene Abmahnung haften, sondern unter Umständen auch auf Schadensersatz.
§ 832 BGB regelt, dass wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.
Wann genügen Sie als Eltern Ihrer Aufsichtspflicht?
Das Maß der im Einzelfall gebotenen Aufsicht bestimmt sich zum einen nach dem Alter des Kindes, zum anderen aber auch nach der Eigenart und dem Charakter des Kindes und danach, was dem zur Aufsicht Verpflichteten zugemutet werden kann.
Für Sie als Eltern bedeutet das zunächst, dass Sie Ihre Kinder über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und die Teilnahme daran verbieten müssen. Es besteht jedoch grundsätzlich keine Verpflichtung, Ihr Kind bei der Nutzung des Internets zu überwachen, den Computer Ihres Kindes zu überprüfen oder gar den Zugang zum Internet – und sei es auch nur teilweise – zu sperren.
Derartige Maßnahmen müssen Sie erst dann ergreifen, wenn es konkrete Anhaltspunkte gibt, dass sich Ihr Kind dem erteilten Verbot widersetzen könnte (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2012, Az.: I ZR 74/12).
Hinsichtlich der Belehrung ist es ausreichend, wenn diese mündlich erfolgt.
Es kann jedoch – auch wenn dies für Sie als Eltern möglicherweise abwegig erscheinen mag – gerade auch aus Gründen der Beweissicherheit und um die Wichtigkeit der Angelegenheit zu verdeutlichen, ratsam sein, die wichtigsten Punkte gemeinsam mit Ihrem Kind aufzuschreiben und damit eine schriftliche Vereinbarung zu treffen.
Mein Kind ist noch nicht 14 Jahre alt, dann haftet es auch nicht?
Oft kursieren Gerüchte, dass die Kinder nicht auf Unterlassung, Erstattung der Rechtsverfolgungskosten und Schadensersatz in Anspruch genommen werden können, wenn sie noch keine 14 Jahre alt sind.
Das Alter von 14 Jahren stellt lediglich die Grenze für eine strafrechtliche Verantwortung dar – die eben genannten Ansprüche sind jedoch zivilrechtlicher Art, so dass diese Altersgrenze hier nicht gilt.
Das bedeutet, dass der Rechteinhaber sich mit seinen Ersatzansprüchen grundsätzlich auch an das minderjährige Kind halten kann, wenn dieses das siebte Lebensjahr vollendet hat und ihm die erforderliche Einsichtsfähigkeit zugesprochen wird. Unter Einsichtsfähigkeit versteht man die Fähigkeit des Kindes zu erkennen, dass seine Handlung nicht rechtens ist. Das Kind muss also in der Lage sein, das Gefährliche seines Tuns zu erkennen und sich der Verantwortung für die Folgen dieses Tuns bewusst sein. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den individuellen Fähigkeiten des Kindes und ist vom Einzelfall abhängig. Eine Haftung besteht nicht, wenn die Einsichtsfähigkeit nicht gegeben ist.
Daher kann nicht per se dazu geraten werden, das Kind als Täter zu nennen, wenn Sie eine Abmahnung erhalten. Das beste Vorgehen muss jeweils für den Einzelfall geprüft werden.
Gelten diese Grundsätze nur für Filesharing oder allgemein wenn das Kind im Internet surft?
Grundsätzlich gelten die obigen Ausführungen auch dann, wenn das Kind ganz allgemein im Internet surft.
Urheberrechtsverletzungen können beispielsweise auch dann entstehen, wenn Ihr Kind über einen Facebook Account verfügt und darüber urheberrechtlich geschützte Bilder oder Musik, etc. auf seine Pinnwand lädt und damit nicht nur vervielfältigt, sondern auch veröffentlicht und kein Einverständnis des Rechteinhabers besteht. Generell gilt, dass nicht nur die Nutzung von Tauschbörsen, sondern auch das Hoch- und Herunterladen von Musik, Filmen, Computerspielen, Bildern, Videos, etc. auf anderen Internetseiten eine große Gefahr von Urheberrechtsverletzungen in sich birgt.
Unsere Tipps für Ihr Gespräch mit Ihrem Kind
- Klären Sie Ihr Kind darüber auf, wann die Teilnahme an Tauschbörsen und das Herauf- sowie Herunterladen von Computerspielen, Musik, Videos, Bildern, etc. illegal ist und untersagen Sie ihm diese Art der Teilnahme.
- Sensibilisieren Sie Ihr Kind für die Problematik: Häufig sind den Kindern und Jugendlichen die Brisanz des Filesharings und die (kostspieligen) Folgen nicht klar, weil auch die Freunde an solchen Tauschbörsen teilnehmen und das „ohnehin jeder macht“.
- Erklären Sie dem Kind die Folgen, die eintreten können, wenn es bei der illegalen Teilnahme „erwischt“ wird.
- Wenn Sie Ihrem Kind die Teilnahme an Sozialen Netzwerken erlauben, sprechen Sie über die Verwendung sicherer Passwörter und darüber, dass diese nicht an andere weitergegeben werden dürfen.
- Bei der Erstellung von Passwörtern sollten möglichst zusammenhanglose Zeichen und Sonderzeichen verwendet werden. Als Merkhilfe kann hier ein frei gewählter langer Satz dienen, bei dem immer nur der erste Buchstabe jedes einzelnen Wortes verwendet wird. Werden diese Buchstaben dann zusammengesetzt, ergeben diese das Passwort.
- Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, welche persönliche Informationen es im Internet preisgeben darf und wer diese Informationen einsehen darf.
- Erklären Sie Ihrem Kind auch, dass Fotos von anderen Personen grundsätzlich nur veröffentlicht werden dürfen, wenn diese auch damit einverstanden sind.
- Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Werden beispielsweise in Sozialen Netzwerken oder über sonstige Webseiten Beleidigungen ausgesprochen, so stellt das grundsätzlich eine Straftat dar, die verfolgt werden kann.